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Tagpfauenauge Inachios io 
 

26.9.1995 16.31

Wirtspflanze: Brennessel :

16.08 Die Raupen sind in der Verpuppungsunruhe. Erst aber ab ca. 12.00 Uhr mittags ist es richtig spürbar. Nun, um 18.00 Uhrt sind fast alle von ihren Fresseplätzen verschwunden und suchen einen Platz um sich zu verpuppen. Dass die Kleinen Füchse heute fliegen und die Tagpfauenaugen sich verpuppen scheint ein seltsamer Zufall. das kann es nicht sein. Die Unruhe liegt in der Luft. Es ist heute ein solcher „Knoten“ für die Änderung des Zustandes. Und auch die, die es nicht betrifft spüren es bestimmt vehement. Noch kriechen die Raupen suchend umher. Erst eine einzige hat sich in hängender Postition an ein Blatt geheftet. Kann es sein, das das Mekonium für die Raupen wie eine Fanfare zur Verpuppung wirkt? Als die ersten Tropfen fielen schienen die Raupen des Tagpfauenauges sich in die Unruhe der Verpuppung zu stürzen. Zuvor hatte ich ihnen noch neue Bernnesseln gereicht. Doch nach Abschluss und nach dem Fortfliegen der kleinen Füchse sind alle Tagpfauenaugen in Hetze um ihren Verpuzppungsplatz zu finden. Das Signal wirkt aber flach über ein paar Stunden hinweg. 16.08.1995, Berlin, 10.00 bis ca. 16.00 Uhr. In den sechs Stunden muss ein markanter Durchgang geschehen sein. Das Wetter hat es ebenfalls mitgemacht. In der Nacht hat es geregnet, am Tag war es bewölkt und angenehm kühl für die Sommerzeit. Die Schmetterlinge sind wieder unterwegs am Flieder, während sie gestern wie vom Erdboden verschluckt schienen.

 

16.8. 1995  22.30  Uhr Eine grosse Zahl der Raupen, ca. 50 Stück, haben sich an die Decke der Vitrine zurückgezogen. Vier Stück haben sich bereits in die Puppenstellung fallen gelassen. Die Raupen sind völlig bewegungslos. Sie verharren wartend. Noch keine hat aber die Raupenhaut abgestreift. Einige wenige fressen noch an den Pflanzen. Die Raupen haben vornehmlich Plätze in zwei Ecken der Vitrine ausgesucht. Einige in der nördlichen Ecke, andere in der südlichen Ecke, alle haben sich aber in Richtung Westen bewegt. Grösste Zahl : Nordwest, kleinste Zahl Südwest. West ist die Riochtung zum Licht des Fensters. Alle haben sich am schwarzen Deckbrett der Vitrine verpuppt. Meine eingebrachten Bretter und Äste wurden praktisch vernachlässigt. Ich habe den Oberteil der Vitrine mit Stoff und Zeitungen abgedunkelt. Es scheint, dass die Raupen die geschütztesten Ecken der Vitrine gesucht haben, Die etwas freistehenderen Breter wurden gemieden .

 

Nochmals scheint der Gedanke auf, dass die Abgabe des Mekoniums für die Raupen ein Signal zur Verpuppung bedeutet. Der Zusammenhang ist offensichtlich. Die Puppen des Kleinen Fuchses, die heute ausgeschlüpft sind, waren getrennt von der Vitrine der Tagpfauenaugen. Doch die Vorgänge haben sich fast gleichzeitig abgespielt: Abgabe des Mekoniums, Wegfliegen des kleinen Fuchses, Verpuppung der Tagpfauenaugen. Die Sachwalbenschwänze fressen heftig und es scheint eine einzelne Raupe erfasst zu haben in der Unruhe. die acht anderen Raupen machen aber wenig Anstalten, zur Verpuppung zu schreiten.

 

22.5 Uhr. Die erste Raupe des Tagpfauenauges hat sich verpuppt. Sie ist aber zu Boden gefallen. Es war eine Raupe, die sich an einem Blatt festgemacht hatte. Ich hatte sie abgelöst vom Ast und an die Decke geklebt. Ihre Verankerung scheint aber nicht gehalten zu haben. Sie wurde auch von ein paar anderen Raupen bei der Verpuppung gestört. Die Puppe ist grasgrün, hell und grün. Sie liegt am Boden des Verpuppungskastens. Nun lassen sich immer mehr Raupen in die Verpuppungsstellung der Stürzpuppe fallen.

 

17.08. Morgens sind schon einige wenige Exemplare verpuppt. Die Puppe ist im Unterschied zur pechschwarzen Raupenkleid, ein helles grüngelb. Um 20.00 Uhr abends haben fast alle Raupen ihre Position an der Decke gesucht. Die meisten hängen in der Stürzstellung.

 

18.08 Abends. Die Mehrzahl der Raupen sind verpuppt. Sie hängen dicht auf dicht nebeneinander wie eine Hundertschaft von Fledermäusen in eines Dachboden. Vier Nachzügler, die noch an der Brennessel frassen habe ich in den Verpupungskasten gegeben. Zwei davon haben sich schon an die Decke begeben. Die heruntergefallene Raupe habe ich an einem Ästchen festgeleimt und an die Decke geheftet. Zwei drei weitere Puppen sind heruntergefallen. Zwei davon sind geplatzt und es lief eine wässerige Flüssigkeit aus. Die beiden Verpuppten werde ich dann auch versuchen, mit einem Leimtropfen an die Decke des Verpuppungskastens zu heften.

 

 

Von den Raupen, die ich selbst aufgezogen habe sind nur etwa drei Exemplare von der Made zerfressen worden. Die anderen etwa 100 hängen noch immer an der Decke. Es ist zu beobachten, dass befallene Puppen sich viel schneller dunkel verfärben, als diejenigen, die nicht befallen sind. Auch weisen befallene Puppen eine unregelmässigere Dunkelfärbung auf. Es scheint auch hier das eigene Schutzverhalten angesprochen zu sein.

 

26.8. Die ersten Falter schlüpfen am Morgen. Sie stammen aus der Generation, die ich selbst aufgezogen hatte von ganz klein auf (Fundort Panke). Ihr Mekonium ist nicht rot sondern eher wässerig weiss braun, mit nur wenig Farbpigment. Von den ersten Faltern habe ich das Mekonium in mein Mittel aufgenommen. Verpuppungszeit auch hier ca. 8-9 Tage. Das Wetter hat in der nacht umgeschlagen. Am Morgen regen, kühl, windig und es ist feucht. Beim Wegfleigen der Schmetterlinge einzelne Regentropfen.

 

Mittwoich beim Duschen, Abgang des Schleimpfropfens. Freitag, 25.8. kleinere Blutungen von Azita. Das Kind zeichnet.

Azita gestern 25. Blut und Schleim beginn von Wehen, Spaziergang., das Kind zeichnet. Nacht aber ruhig. geschlafen bis ca. 10 Uhr. Heute auch etwas Blut und Schleim. Rückenweh. Die Geburt scheint nun zu beginnen. Verzweiflung über die warterei und gleichzeitig Angst, dem Kinde etwas geschehen könnte. Angst auch, etwas falsch zu machen. Besorgnis. Weinen, nachher Essen wieder Kräfte sdammeln und etwas schlafen. Ablenkung ist gefragt. Sie hilft aber nicht auf Dauer. Azita strickt und näht an einem Kleidchen herum.

 

 

Das Mekonium des Tagpfauenauges ist in der Grundfarbe beim Eintrocknen ein dunkles, warmes Braun. Der Puppenharn der zuerst ausgeschlüpften Raupen erschien mir viel wässeriger und farbloser als das der Schmetterlinge die zwischen 15 und 16 Uhr ausgeschlüpft sind. Die erste Welle scheint jedoch von 10 bis ca 14 Uhr gedauert zu haben. Nun ist einigermasse Ruhe eingetreten. Der kritische Punkt lag wohl dazwischen bei ca. 12-13 Uhr. Nachher wieder ein Zurückhalten und weiteres Warten.

 

27.8. 1995 Geburt von Alisha um 18.21 Uhr. Der heutige Tag muss für die Pfdauenaugfen auch ein gebuzrtstag gewsen sein. Und das Hin- und Her der Geburt von Alisha zeigt sich in ihrem Erscsheinen. Doch für die Schmetterlinbe war es ein denkbar ungüstiger Tag der geburt. Kühl, nass, windig, regnerisch auch. Kein Flugwetter für Pfauenaugen. Und eine weitere Gefahr zeigt sich bei der geburt. Der Schmetrling braucht einen gesicherten Halt beim Ausschlüpfen. Er muss sich irgendwo an der decke festklammern können, sonst fält er zu Boden und dort kann er seine Flügel nicht entwickeln. Ja, die Pfaueneugen haben sich zu nahe aneinander verpuppt. Es war nicht anders möglich in diesem blöden Puppenkasten. Sie hingen etwa in 2-Zentimeter Abständen voneninander entfernt. Einige plupsten aber gleich bei der geburt zu Boden und verklebten sich mit dem mekonium der anderenm Tiere. Es sah aus wie auf einem Schlachtfeld. Ein Schlachtfeld der gefalleenn Schm,etterlinge. Viele waren tot, konnten ihre Flügel nicht ausbreiten.

Ja, die Gefahr gehört zur Geburt. Die Bedrohung und auach das Aufgeben, das verlkieren. Für die Überlebenden machgt es die Freude um,so grösser.

 

Alishas Geburt : Die Unschuld kommt dazwischen. Sie hat den Krieg nicht gewollt und auch den Freiden nicht. Im Dazwischen zwischen Krig und Frieden lösen sich beide auf.  Azita hat gekämpft wie eine Löwin. Sie hatte aber auch Angst zu Sterben. Todesangtst. Die Todesahnung muss in der Luft gelegen sein. Das Wechselbad der gefühle ist bei einer geburt Unendlich in seinem Spektrum. Schlechtes Wetter, fühlt sich kalt, zuwenig Wärme.

 

Nabelschnur zu schnell weg. Sie hat noch Pulsiert. Doch sie wurde getrennt. Zu schnell weg von der Mutter. Unterbrochen. Angst vor der Trennung. Doch sie hat es geschafft. Sie ist ein Schätzchen, alle lieben sie. Es ist ganz unglaublich, dass ich ihr Vater bin. Sie, Alisha, hat sich uns nicht ausgesucht. Sie ist nun plötzlich da. Vater und Mutter überglücklich. Doch Alisha bereits mit den zweifeln, wohinein sie da gekommen sein möge. Ihre seltsamen Gefühle gegenüber den Elztern. das muss erklärt werden. dass sie selbst auch ohen uns ist. dass nicht wir sie gemacht haben. dass sie nicht uns danken muss, dass nicht wir ihr danken müssen. Alisha, ich liebe Dich.

 

29.8. Noch immer sind die Schmetterlinge nicht ausgeflogen. Azita kann noch keien Milch geben. das Wetter ist kalt und regnerisch. Die Schmetterlinge sitzen regungslos im Atelier und warten. Weshalb sind sie denn schon geboren worden. Weshalb in dieses schlechte Wetter hinein. Sie sind nun Scxhgmeterlinge, aber sie müssen jetzt noch warten. Eine unglaublkiche Geduld ist nun gefragt.

 

Alisha hat wieder Kindspech abgegeben. Sie ist ein Engel. So sanft und so still beobachtend, so sensibel, in sich geträumt. Die Ärztin sagte, dass sie eigentlich Übertragen wurde. Sie hätte schon vor ca. 2 Wochen geboren werden können. Sie hatte keine Käseschmiere mehr auf dem Körper. Nun ist ihre Haut an Händen und Füssen leichtr schrumpelig. Am rechten Ohr besitzt sie ein keluiesn Schönheitsfehler, eine Hautwucherung, wie ein zweiteiliges, kleines Hautzäpfchen. Sie schläft viel. hatte zuerste etwas zu niedrige Körpertemperatur. Heute hatte sie 36,7 Grad.

 

30. 8. Azita kann Milch geben. Alisha trinkt. Ich bin überglücklich. Im Atelier hörte ich, als ich gerade an der Arbeit war, mein Bild von Alisha für die Geburtsanzeige fertigzumachen,  plötzlich etwas Plumpsen. Ein Schmetterling ist ausgeschlüpft und fiel auf die Alufolie. Meine Erstaunen ist riesig. Es ist einer der Wildfanggenaration. Es sind doch nicht alle von der Fliegenrauope befallen worden. Um 14.15 fange ich das Mekonium des erstgebornenen Falters auf und gebe es in 100 Tropfen Alkohol. Bald folgen noch zwei weitere. Das Wetter hat heute kurz aufgerissen, Stellenweise war blauer Himmel zu sehen. Gestern hat es kräftig geregnet und es war herbstlich kühl und windig. Es ist zwar noch immer kalt, aber die Sonne kann schon wieder eine richtige Hitze entwickelen, wenn der Wind nicht hinkommt. Einige Pfauenaugen verlassen mein Atelier. Die frisch geschlüpften Schmetterlinge waren 10 Tage verpuppt.

Es scheinen noch ein paar mehr dem Verhängnis des Aufgefressenwerdens entkommen zu sein. Das Mekonium des ersten Falters war weissbraun, das des zweiten auch, der dritte brachte ein kräftiges dunkles braun.

 

14.45. der vierte schlüpft. Es klingelt. Ein Blumenstrauss von Christa ist angekommen. Ich sehe, wie der Falter mit noch unentwickelten Flügeln sich versucht an den Puppen und an der decke festzuhalten. Ein paar noch lebende Puppen daneben, bewegen sich aber so heftig, dass der Falter beinahe zu Boden fällt, was seine Flugunfähigkeit bedeuten würde. Wenn die Puppen zu dicht nebeneinander hängen, wie in der grossen Vitrine, dann führt das dazu, dass die noch verpuppten Schmetterlinge, die schon ausgeschlüpften regelrecht abschiessen. Die Puppen mögen es also nicht, nahe zusammen zu hängen. Sie haben sich schon bei der Verpuppung behindert. Jeder will das für sich tun. Ein Daneben und ein Gruppengefühl existiert nicht mehr im Verpuppungsstadium. Alles, was daneben hängt ist Bedrohung und Konkurrenz. Die Puppen versuchen sogar sich gegenseitig von der decke zu lösen. Einige sind so zu Boden gefallen. Da aber haben die Schmetterlinge keine Chance, sich richtig zu entwickeln. Sie brauchen die Stürzstellung, das senkrechte hängen, sonst sind ihre Flügel verkrüppelt und die Falter flugunfähig.

 

6. September. Schöner warmer Tag. Letztes Tagpfauenauge verlässt Atelier.

 

 

 

 
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