Daniel Ambühl  >  Biografie  >  Phasen

 

Die bunte Linie
  Die Linie ist Symbol für den Lebensweg. Sie beginnt - erscheint, wird sichtbar - hat einen bestimmten Verlauf und findet ein Ende - zieht sich zurück in die Unsichtbarkeit und Verborgenheit. Auf dieser "Philosophie der Linie" basieren alle Meditationen der zenbuddhistischen Kalligraphie und Malerei. Das "Itchi", ein einzelner, waagrechter Strich, der von links nach rechts geführt wird, und eigentlich "Eins" (auch die Zahl 1) bedeutet, gilt als das höchste und schwierigste Objekt der Zen-Meditation. An ihm zeigt sich die wahre Meisterschaft eines Zen-Künstlers. Für westliche Seherfahrungen ist die Unterscheidung, Lob und Tadel verschiedener "Itchis" zunächst eine absonderliche Aufgabe. Wie soll sich in einem einzigen Strich schwarzer Tusche die Meisterschaft eines Künstlers äussern? Uns fehlen die Vergleiche, es fehlt ein Überblick über die verschiedenen Arten ein "Itchis" zu malen, und dadurch fehlt auch die Feinheit des sinnlich geschulten Bewusstseins für die kleinen Unterschiede der "Itchis" und es fehlen deshalb auch die Worte zu ihrer Beschreibung, während ein Zenkünstler ganze Romane erzählen könnte über das "Itchi" eines grossen Meisters. 

Vor diesem Hintergrund begann 1989 die Entwicklung, die schliesslich zur Entstehung der "bunten Linie" führte - zur Herstellung der mehrfarbigen Oelpastellkreiden und zu einer Maltechnik, deren Besonderheit auf der gegenseitigen Abstossung von Oel und Wasser auf dem Büttenpapier basiert. Die grosse Farbbrillanz dieser Werke beruht unter anderem darauf, dass zuerst immer die Kreide verwendet wird, deren Oel das Büttenpapier "imprägniert" und erst danach die Aquarellfarbe aufgetragen wird, deren Fluss im Papier an den bunten Linien Halt macht - eine Art "Reservage".

oben: Blick in den Kasten mit Dutzenden verschieden zusammengestellter Kreiden, die Daniel Ambühl selber herstellte und zwischen 1989 und 1999 verwendete.
links: Kreidenstriche einer Zeichnung vom 22.1.1990

 
  Reisen

 

Die bunte Linie löste im Schaffen Daniel Ambühls ein Feuerwerk der Farbe aus, zunächst inspiriert von Reiseerlebnissen, die in vielen Skizzenbüchern festgehalten sind. Diese Blätter, die bis ins Jahr 2000 noch nie öffentlich gezeigt wurden, strahlen trotz ihrer immensen Buntheit und Dynamik grosse Gefasstheit und Harmonie, ja, Ruhe, Gelassenheit und Heiterkeit aus. Sie bestehen aus meist kurz und zügig gesetzten Linien, umgeben von in der Sonne getrockneter Aquarellfarbe. Abgebildet sind Eindrücke der Landschaft, szenische Geschichten und Begebenheiten, Illustrationen der Gedanken des Reisenden aber auch Tiere und Pflanzen. In dieser Art dokumentiert wurden unter anderem Reisen nach Bali, Malediven, Sri Lanka, Florida, Kalifornien, Indien, Seychellen.

 

oben: Vulkan in den Wolken, Bali 1992
links: Reis Terassen in Bali, 1992
unten: Warmer Regen, Ceylon, 1993

Atelierbilder  

oben: "The ship is the bridge, where no pillars stand. Culture is the ship of understanding." 80 x 120 cm, 1993

rechts: Der Schlüssel, 120 x 80 cm, 1993

unten: Ort der Versöhnung, 100x 170cm, 1993

 

 

Die "bunte Linie" wurde ab 1991 zum Markenzeichen von Daniel Ambühl. Die Bilder waren auf den ersten Blick als seine Werke zu identifizieren. Im Keller des Zürcher Ateliers "Das Ompfl" entstanden die meisten dieser Bilder, die ab 1993 zunehmend mit Collagen ergänzt wurden. Unter dem Eindruck des Schreckens und Irrsins des Jugoslawienkrieges hatten viele der Bilder die Frage nach dem Wesen der Kultur zum Thema. 1992 und 1993 nahm Ambühl mit der ursprünglich vom Berner Galeristen Claudio Righetti an ihn heran getragenen Idee eines internationalen "Cultureship" auf, und entwickelte diese Idee in seinem eigenen Sinne weiter. Dieser Weg führte unter anderem zum Buchunikat "Das Fischgericht". Dazu kam das Engagement für das Festival "Rock gegen Hass" für welches Ambühl das Hand Logo kreierte aber auch auffällige Plakate, Uhren, T-Shirts usw. entwarf. Ausstellungen in Bern, Zürich und Luzern machten diese Bilder einem grossen Publikum zugänglich. 

  Roboter Airbrush

Als erster Schweizer Künstler benutzte Daniel Ambühl 1993 eine neuartige Technik, um die bunte Linie, deren Prinzip der Abweisung von Oel- und Wasserfarbe lediglich auf bestem Büttenpapier funktionierte, in zufriedenstellender Farbqualität auch auf grosse Leinwände zu übertragen. Auslöser für dieses Experiment war der Auftrag zur Gestaltung eines ca. 40 Quadrameter grossen Wandgemäldes im Art Cafe in Bern, welches in der Nähe  des Bundeshauses lag und 1993 mit dem Gemälde von Daniel Ambühl neu eröffnet wurde. Die Wände des Art Cafes waren dazu in rechteckige Teilflächen aufgeteilt worden, auf welchen nahtlos - gleich einem Puzzle - baumwollbespannte Rahmen montiert waren. Daniel Ambühl zeichnete das ca. 20 Meter lange Bildband im Massstab 1: 5 auf eine vier Meter lange Papierrolle. Dann wurden die rechteckigen Teilstücke im Computer gescannt, nachberabeitet und mit einem Airbrush-Roboter namens "Michelangelo" bei Reto Rossi in Bülach auf die hochweiss grundierte Baumwolle gespritzt. Alle Puzzlestücke des Bildes wurden danach mit Acrylfarbe überarbeitet, signiert und im Art Cafe wieder zu einem Gesamtbild zusammengesetzt. Über die ganze Wandfläche des Art Cafes floss das blaue Band der Aare, die im ersten Bild aus einer Frau geboren wurde, und im Schlussbild vom Kindlifresser verspeist wurde. 

In der Folge entstanden einige weitere Leinwandbilder in dieser Technik und eine Serie von zweifarbigen Radierungen, die auf mit Airbrush vorgespritzte Büttenpapiere gedruckt wurden.

 

In den Landschaftsbildern geht der Blick zum Archetypischen: Der Weg, der Wald, die Himmelsstimmung. Es sind zumeist kleine, unbedeutende Ausschnitte, in denen das Wesentliche herausgestellt ist.

 
"Wer malen will, muss lernen zu schauen. Die Technik, um das Geschaute darzustellen, wird vom erkannten Gegenstand geschenkt."

 

oben: Geburt der Aare. Beginn des Wandgemäldes im Art Cafe Bern. Format: 170 x 95 cm

links: Wrestling mobile, kleines Teilstück aus dem Gesamtfries, 60 x 60 cm.

unten: Das Schlussbild des Wandgemäldes im Art Cafe, der Kindlifresser, 3. Teil eines Tryptichons, der die Stadt Bern zeigt. Format: 178 x 110 cm.

 

Am Ende der Linie  

In der Berliner Zeit von 1994 bis 1997 kehrte die bunte Linie nach der turbulenten Aufgeregtheit und der stürmischen Bewegtheit der Jahre 1992 und 1993 wieder zu den Anfängen zurück, wurde reifer, fliessender, schwungvoll reduziert, die Hintergründe wurden ruhiger, monochrom, schliesslich - gegen Ende von 1998 - blieb zuweilen nur ein einzelner Strich in einem feinen grauen, wässerigen Hintergrund auf dem Papier. Nach dem Umzug in die Schweiz entstanden noch wenige Nachzügler, vor allem Auftragsarbeiten. Die Phase der bunten Linie aber schien abgeschlossen.

"Mir war klar geworden, dass die bunte Linie nur noch als Stillstand, also in Form einer von ihrer eigentlichen Entwicklung losgelösten repetitiven Produktion und Selbstbeklauung des Erfolgsversprechenden weiterbestehen könnte, da doch dieser Stil und diese Technik weitherum als mein Markenzeichen bekannt und gesucht war. Oder aber: sie von allem Gegenständlichen losgelöst als  "Die bunte Linie an und für sich", also als blanke Verherrlichung ihrer Technik zu stilisieren. Beides schien mir zu billig und meinem eigentlichen inneren Antrieb zuwider. Irgendwie freute ich mich, dass die "bunte Linie" mit dem Bild "Die Taube Morgengrau" aufhörte. Obwohl ich noch nicht wusste, wie es weiterging" 

 

 links: Glückauf Jonah! 1998, 40 x 50 cm

unten: Ausschnitt aus einem Wandbild 120 x 360 cm für die mb Veranstaltungsagentur, 2001

 

 

  >>  Liste von Ausstellungen