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Einsammeln von Pflanzen für die "Berliner Apotheke" 
 

7.9.1996, Grenzstreifen Berlin zwischen Oderberger- und Ackerstrasse.

 

15-16 Uhr

Ein Herbsttag mit scharfem Wind, doch aber auch viel Sonnenschein zwischen dunklen Wolken. Eine Ahnung des Winters liegt erstmals über dem Grenzstreifen. So ging ich auf den Grenzstreifen, um ein paar Kräuter zu sammeln.

 

15.40 Wiesen-Bärenklau, Heracleum Sphondylium.

Nur eine einzige Pflanze fand ich zwischen Strelitzer- und Ackerstrasse an einer Gartenmauer. Die Pflanze stand letztes Jahr schon da. Den Namen hat sie von den runden, papierartigen Blättern in denen die Früchte wie Klauen eines Bären aussehen. Die Dolden waren schon fast vollständig versamt, der Wind hatte die Samen weggetragen. Ich sammelte die letzte Golpar-Früchte ein und gab sie in Alkohol.

 

16.00 Kanadisches Berufskraut, Conyza canadensis

Ein seltsamer Name trägt diese sehr häufige Pflanze. Sie steht wie ein kleines Blütenbäumchen im Brachland. Ich entnahm ihr Blüten, Stengel, Blätter und ein Wurzelstück. Gefunden auf dem zweiten Weg, obere Hälfte gegen Strelitzer Strasse.

 

15.20 Tüpfel- Johanniskraut, Hypericum perforatum

Blüte, Fruchtstand, Stengel und Wurzel einer Pflanze. Strelitzer Strasse obere Hälfte gegen Ackerstrasse, in der Nähe der frühere Mauer.

 

16.20 Kamille, Chamomilla recutita

Blüte, Blatt, Stengel und Wurzel. Oberhalb der Mauer im Übergang der Strelitzer zur Bernauer Strasse, gegen Brunnenstrasse.

 

15. 10 Kronwicke, Coronilla varia

Blüte, Blatt Stengel und Wurzel.

 

15.00 Flachs, Linum usitatissimum

Samen, Blüte, Blätter Wurzel

 

 17.10 Gemeines Leinkraut, Linaria vulgaris

Blüte, Blatt Wurzel Stengel. Zwischen Strelitzer und Brunnenstrasse.

 

17.20 Hopfen, Humulus Lupulus.

Von einem auf freiem Feld (zwischen Strelitzer und Brunnenstrasse) wuchernden Stock, Blüte, Blätter Stengel und Wurzelstück

 

17.40 Wegwarte, Cichorium intybus

Strelitzer Strasse - Ackerstrasse oberer Teil, Mauernähe

Blüte, Stengel, Blatt, Wurzelstück

 

17.50 Nachtlichtnelke, Melandrium album.

Die Samen aus den hölzernen Fruchtbechern einer Pflanze zwischen Strelitzer und Ackerstrasse.

 

  

Lichtgestalten

Ein wahrlich modernes, postmodernes Wort. Von vielen Sekten und esoterischen Gruppen gern verwendete Chiffer für das Aussersubjektive des Menschen, seine göttliche Seele. In meiner Arbeit habe ich auf ganz anderem Weg einen Zugang zu diesem Wort gefunden, nämlich zunächst über die Homöopathie und ihre Grundidee, ein Heilmittel durch Verdünnung zu potenzieren. Dies allerdings jeweil in einer Trägersubstanz, möglichst reinem Alkohol. Über die verschiedenen Erklärungsversuche für die erstaunliche Wirkung solchermassen potenzierter Mittel ist schon viel geschrieben worden. Wir lassen es jetzt aber einmal dabei, dass es tatsächlich funktioniert. Und damit uns genügend Zeit bleibt, weiterführende Fragen zu erörtern.

Es scheint, dass Strategien der Heilung jeweils Ausdruck der Zeit sind, in denen sie entwickelt wurden. Dass man also annehmen müsste, dass zwar ihre Prinzipien ewig sind, aber doch immer weder neue, ganz neue Strategien auftauchen. Zum Beispiel mein Modell der Lichtgestalten.

Das Prinzip ist denkbar einfach: Wenn es die Homöopathie schafft, mit hilfe der Verdünnung, die Gestalt des in der Ursubstanz zu findenen Pflanze in eine heilende Begegnung mit dem Menschen zu führen, dann sollte das noch auf ganz anderen als oralen Verabreichungen möglich sein. Reduziert sich die Homöopathie nicht auf die Frage der Trägersubstanz? Alkohol? Und sind nicht andere Trägersubstanzen denkbar, zum Beispiel Luft oder  Wasser, Sand oder Feuer? Alkohol ist eine Flüssigkeit, die sich leicht verflüchtigt, gut brennbar ist, ein Vergärungsprodukt von Zucker. In der Leber kann es wieder zu Zucker umgebaut, und damit als Gift aus dem Körper entfernt werden. Das ist ein - sagen wir es doch - grobstofflicher Aspekt der Homöopathie und dasselbe gilt für die Globuli, die kleinen Zuckerkügelchen, die als Träger der potenzierten Substanzen dienen.

Braucht es solche Trägersubstanzen überhaupt? Wie sonst könnte man eine Medizin zu sich nehmen, wenn sie nicht irgendwo, wenn auch nur gedacht oder erinnert anwesend sein könnte. Wie Gott in einem Tempel, braucht auch das Heilmittel eine äussere Form, einen Träger eben, eine Art von Christophorus, der die zum Nichts verschüttelte Gestalt des Mittels, trägt. Es gab auch diese Ursubstanz einmal, es war eine Pflanze oder eine Fliege oder ein Virus, oder ein Tropfen von etwas. Es war bestimmt aber da.

Luxus, wäre ein guter Name für mein Projekt. Das Licht und die Flamme, die es erzeugt als Quelle zur Begegnung mit der heilenden Gestalt. Die Kleine Flammschale ist überaus einfach zu bedienen. Man schüttet etwas Alkohol in das Gefäss, gibt einen Tropfen der Heilsubstanz zu und entzündet den Docht. Wir kommen nun an einen Punkt, wo wir ganz ernsthaft sein müssten. Das Heilen und die Heilung ist kein Spiel und auch keine Show, wenngleich nichts ausgeschlossen wird. Das lachen schon gar nicht. Dennoch ist etwas Ernstes mit Heilung verbunden, weil ein Leiden da ist, ein Mensch, der gerne gesund und von seinen Beschwerden erleichtert sein möchte.

 

 
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