1987-1989 | |||
Die
Stile, in denen sich Daniel Ambühl äussert wechseln auffallend,
kontrastreich, häufig. Stile sind vergänglich, entstehen aus unscheinbaren
Samen, wachsen heran, entfalten sich und verwelken wieder. Zuweilen malt
Ambühl gleichzeitig in verschiedenen Stilen. Es sind Projekte, in denen
jeweils ein bestimmtes Lebensthema auch nach einer bestimmten eigenen Form
verlangt. Für Ambühl ist es undenkbar, die Verschiedenartigkeit der
Gegenstände und die Verschiedenartigkeit, wie diese Gegestände empfunden werden, in
einen Stil zu zwingen. Damit hat er das "normale" und
marktgängige Stilbewusstsein der zeitgenössischen Kunst auf den Kopf
gestellt.
"Ich
finde nicht Alles in Einem,
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"Ich
brauche keinen Stil. Ich bin einfach Daniel Ambühl. Ich denke heute
anders als vorgestern, ich sehe heute die Dinge anders als früher. Das,
was ich zuvor gedacht und gesehen habe, bleibt gültig. Die Weltsicht
verfeinert sich durch diese Vielfalt, die schon erlebt, gedacht und
gesehen wurde. "
"Was ich mache kann im grossen Überblick als biographische Kunst bezeichnet werden. Das meint aber nicht einfach die Abbildung privater Erlebnisse, sondern die Darstellung der Geschichte des Menschen mit den Mitteln der Kunst. Nämlich: Seine Lebensphasen, seine verschiedenen grundsätzlichen Anlagen, seine Verwandlungen und die Entfaltung seiner einzigartigen Persönlichkeit, die Art also, wie der Mensch in die Welt hineinwächst."
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Zeichen | |||
Jede künstlerische Form der Darstellung kennt eine eigene Zeichensprache. Oft liegt sie verborgen unter dem Vorschein von konkreten Gegenständen. In machen abstrakten Stilen aber ist dieses Zeichenhafte in den Bildvordergrund gerückt. Die Aussage und Sprache des Bildes wird sichtbar in Zeichen. Dass sie etwas ganz bestimmtes bedeuten, ist dabei offensichtlich, was sie bedeuten bleibt allerdings letztlich geheimnisvoll.
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"Ich
mag das Wort "ungegenständliche" Kunst nicht und am
blödsinnigsten ist die Bezeichnung "gegenstandslose" Kunst. Es
gibt keine menschliche Sichtweise ohne Gegenstand. Ich bevorzuge den
Ausdruck "abstrakt", weil in ihm anklingt, dass von der
sichtbaren Welt abstrahiert wird, dass man sich vom Einzelnen,
Einzigartigen, Sichtbaren, sinnlich Erfahrbaren distanziert, indem man in
ihm etwas Prinzipielles, Allgemeines erkennt und durch diesen geistigen
Vorgang der Entfernung in eine Beziehung zu diesem Gegenstand kommt, indem
man etwas Gemeinsames mit dem Gegenstand erlebt, allerdings vorerst nur
auf der gewissermassen starren, abstrakten Ebene. Lebendig - Liebe - ist
eine solche Beziehung nur dann, wenn alles prinzipiell Gemeinsame vom
Staunen und von der Freude und dem Glück über das Zusammensein mit dem
ganz Anderen des wirklichen Gegenstandes aufgehoben wird."
"Ich gebe meinen Bildern Namen, wie ein Vater seinem Kind einen Namen geben möchte, der zu ihm passen soll, ohne dass er es eigentlich kennt. Was halten Sie von Eltern, die alle ihre Kinder "Untiteled" nennen?"
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Bewegung und Erlebnis | |||
Wie kann man die Bewegung des
Lebens in einem einzelnen Bild einfangen? Unmöglich! Das Bild bleibt an
sich bewegungslos. Die Spuren der Bewegung, die darauf eingetrocknet und
verfestigt sind, können aber vom Betrachter gelesen, wieder lebendig
gemacht werden. Der Betrachter liest die Fährten der Pinselstriche, die
Spritzer der Tusche, die Wärme, die das Wasser eintrocknen lässt, die
hastigen Umrisse des Lebendigen. Jede Linie ist Lebenslinie und erzählt
von ihrer Entstehung, ihrem Schwung, ihrem Geknorze, Übermut, ihrer
Gewalt und Leidenschaft. Tritt man lebendig an die toten Dinge heran, erweckt man sie zu
neuem Leben
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links
oben: Umrisse von Graziano unten: Gespenst eines Huhns
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Zen | |||
Wie
verdichtet man die Fülle eines Augenblicks in ein Bild? Unmöglich! Das
Geschaute bleibt in seiner umfassenden Vielfalt und Lebendigkeit unfassbar. Aber vielleicht kann ein Künstler etwas von
seiner
Empfindung der alles überfliessenden Fülle erzählen, indem er sie konzentriert weglässt, indem er die Augen schliesst, alles Geschaute in sich sammelt,
und es geballt in einem einzigen Strich zu Papier bringt,
oder es in einem Wort, einer Silbe, einem einzigen Laut ausspricht.
"Zen-Malerei ist vergleichbar einer Musik, in der die Pausen solange ausgehalten werden, bis ein einziger Ton wie eine Symphonie in die ausgebreitete Stille klingt."
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ganz oben: Frau bringt
Getränke und Essen,1989
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Informel | |||
"Wenn
das Schreiben zum Gegenstand des Schreibens wird, oder das Malen zum
Gegenstand des Malens, dann ensteht eine Ästhetik, die ich als "Informel"
bezeichne. Informel ist eine Formel die "in" ist. Nicht nur im Kunstmarkt.
Die Medien,
Fernsehen, Radio, Zeitungen haben sich selber zum Gegenstand. Die Börse
hat sich selber zum Gegenstand. Die Promis haben sich selber zum
Gegenstand. Auch die Religionen, Kirchen, Sekten, der Staat, Politik, alle
Unternehmen haben sich selber zum Gegenstand. Das ist das Zeitalter des
"Informel": Der Mensch befasst sich ausschliesslich mit sich
selber. Die Welt hat mit sich selber zu tun. Wenn sich alles so um sich
selber dreht, wird es einem schnell schwindlig. Und es entsteht auch
tatsächlich viel Schwindel dabei. Das Informel ist eine schwindsüchtige
Phase der Kunst. Aber etwas Wahrhaftiges hat dieser Schwindel in sich.
Wenn das Malen sich selber ganz ernsthaft zum Gegenstand nähme, könnte
daraus die Frage erscheinen: "Wozu?" Wozu Malen? Wozu Mensch?
Wozu Fernsehen, Staat, Börse, Religion, Kunst? Diese Frage würde dann
das Andere wieder ins Spiel bringen. Das hat das Informel aber nicht so
gern, weil es dann nämlich mit ihm zu Ende wäre. Also stellt es sich
meist taub und dreht sich lieber weiter um sich selber."
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links: Eitler Bergsee, 1988 unten: Amerikanischer Drall, 1988
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